avant / Schaltzeit
Comic
  • © Sea Watch
  • © Saša Kovačić

Moderation: Jakob Hoffmann

Adrian Pourviseh: Das Schimmern der See

Mitten in der Nacht kommt der Funkspruch rein: ein doppelstöckiges Holzboot mit 400 Menschen an Bord in Seenot. Der Kapitän der Sea-Watch 3 setzt Notrufe ab, Italien, Malta und Tunesien verweigern die Rettung, ein nahes Frachtschiff ignoriert die Hilferufe und dreht ab. Die Sea-Watch 3 nimmt Kurs, ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Dafür haben die freiwilligen Seenotretter monatelang trainiert, jeder Handgriff muss sitzen, jeder Augenblick zählt.

Atemlos und beklemmend sind die Schilderungen der Rettungseinsätze der Crew, deren Teil deutsch-iranische Comiczeichner Adrian Pourviseh vor zwei Jahren war. 72 Stunden, die über Tod oder Leben entscheiden. Die unmenschliche Anspannung vor und bei den Einsätzen, die Bedrohung durch die sogenannte libysche Küstenwache, die im Auftrag Europas Geflüchtete aus internationalen Gewässern verschleppt, und die hochprofessionelle Durchführung der Rettungsaktionen, bei denen wenige Augenblicke über das Überleben von Menschen entscheiden können – Das Schimmern der See ist ein nüchtern gezeichneter Augenzeugenbericht über den schrecklichen Alltag an den Außengrenzen Europas und ein lautstarker Aufruf zu mehr Menschlichkeit und gegen das Wegschauen.

 

Jurij Devetak und Boris Pahor: Nekropolis

Der slowenische Autor Boris Pahor überlebte fünf Konzentrationslager während des zweiten Weltkriegs. Kürzlich ist er mit 108 Jahren verstorben. Sein weltweit bekanntes Meisterwerk „Nekropolis“ (erschienen 1967) wurde nun von Jurij Devetak in eine ergreifende Graphic Novel adaptiert. Die dokumentarische Herangehensweise und sein kunstvoller Umgang mit Bild-Metaphern erzeugen prägnante Bildsequenzen. Bild- und Textebene fließen gekonnt ineinander. Sie schildern eindrücklich die Zerrissenheit eines slowenischen Widerstandskämpfers angesichts seiner grausamen Erfahrungen während des 2. Weltkriegs und seiner späteren Erinnerungsversuche als Holocaust-Überlebender bei der Wiederbegehung dieser Orte seines Schreckens. Die düsteren Erfahrungen stehen im Kontrast mit der Lebenskraft, von der dieser Graphic Novel auch erzählt. Sie zeugt bei aller Hoffnungslosigkeit auch von Menschlichkeit und Solidarität im Ausweglosen.

Jurij Devetak (1997) ist Illustrator und Comiczeichner. Er wurde in Triest geboren. 2020 machte er seinen Abschluss an der Scuola Intenazionale di Comics in Padua. Er lebt und arbeitet in Nabrezina.